Begegnung ist Leben
Die Seniorenwohnanlage am Kroatenhof und das Kleeblattprojekt werden 25 Jahre alt und feiern
Ein Schuft, wer Böses dabei denkt. Nürtingens Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich verschwindet mit einer unbekannten Schönheit hinter dem Paravent und der samtrote Morgenmantel fliegt dahinter hervor. Das haben alle Gäste gesehen, die bei den Feierlichkeiten zum 25. Geburtstag des Kroatenhofes im Quartier Klein-Tischhardt anwesend waren… . Die Auflösung: Die Konzertsängerin und Atemtherapeutin Maria Tselegidis-Reiner, deren Mutter acht Jahre sehr glücklich in der Seniorenwohnanlage Kroatenhof gelebt hat, führte ein kleines konzertantes Programm mit bekannten deutschen Schlagern und Operettenliedern auf. Der Oberbürgermeister war ebenso wie der Geschäftsführer der Nürtinger Diakoniestation Jochen Schnizler Komparse bei der Aufführung. Mit Liedern wie „Ich bin die fesche Lola“ oder „Küss mich, bitte, bitte küss mich“ war die Sängerin der Überraschungsgast des Jubiläums.
„Die Seniorenwohnanlage ist in das Leben der Stadt eingewoben“, versicherte Nürtingens Oberbürgermeister. Das Konzept des Modellprojektes sei damals wie heute erstens wegweisend und zweitens weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt. „Diese lebendige Nachbarschaft zeigt wie selbstbestimmtes Leben gelingen kann“, war sich Fridrich sicher. So selbstständig wie möglich, so viel Hilfe wie nötig – so das Credo des flexiblen Betreuungsangebotes in der Seniorenwohnanlage. Es ermöglicht den Bewohner:innen des Hauses, in ihren Wohnungen unabhängig und selbstständig zu bleiben und sich zugleich bei gesundheitlichen Krisen in ihrer Wohnung sicher zu fühlen, denn rund um die Uhr gibt es eine Rufbereitschaft.
Das Jubiläum stand unter dem Motto „Jeder zählt“. Gemeinsam mit dem Kinderhaus wurden für jede:n Bewohner:in und jedes Kind ein Stock gestaltet. Vor und hinter dem Haus haben 151 bunt verzierte Äste die Wege gesäumt und den Rahmen für den Geburtstag gesetzt. Die Kinder der Ganztagsbetreuung und die Bewohner:innen haben gemeinsam mit allem verziert, was die Deko-Box so hergibt: Wolle, Pfeifenputzer, bunte Haargummis, Lockenwickler, Glasperlen oder Pompons. Ein Sammelsurium und Feuerwerk der Kreativität. Der Künstler Max Bailly, der jüngst in den Kroatenhof übergesiedelt ist, hat diese künstlerische Geburtstagsgeschenk begleitet.
Auch der Bewohner:innen-Rat ließ es sich nicht nehmen, mit einem kleinen Sketch vor und zurück zu blicken. Auch er hob die Möglichkeit des selbstbestimmten Lebens deutlich hervor und fragte sich, ob es bei so viel Eigenständigkeit der Bewohner:innen überhaupt einen Rat bräuchte. Der laute und anhaltend Applaus im Anschluss an den Auftritt war Antwort genug. „Ihr seid der Fels in der Brandung“, versicherten Meike Düßmann und Petra Nimmrichter, die beiden Hausleitungen, die seit 22 Jahren gemeinsam wirken und auch den Festakt zusammen moderierten.
Jochen Schnizler, der Geschäftsführer der Diakoniestation Nürtingen, erinnerte sich noch, wie damals 1996 zum Einzug nur eine Person im Kroatenhof lebte und „rund um die Uhr“ – eben nicht betreut werden musste. Die Diakoniestation ist zuständig für die Pflege und die hauswirtschaftliche Versorgung der 99 Bewohner:innen in der Seniorenwohnanlage. Die Samariterstiftung ist für die Hausleitung und soziale Betreuung der Anlage verantwortlich. Schnizler lobte die hohe Konstanz und Verlässlichkeit dieser Kooperation. Gemeinsam mit allen anderen Festrednern war er sich einig, „dass an der Konzeption nichts zu ändern ist“.
Für die Samariterstiftung und deren Vorstand sprach Dr. Eberhard Goll. Er ließ Erinnerungen an die vor 25 Jahren stattfindenden Fußballeuropameisterschaft lebendig werden und verglich den Kroatenhof mit dem damaligen Golden Goal. „Die Konzeption ist heute noch zeitgemäß.“ Als er den Bogen zu Heute schlug, gab er zu: „Der Lockdown war für diese gute Konzeption wie ein Schlag ins Gesicht“. Denn Begegnungen und Beziehungen seien das Kernstück, der Motor dieses Konzeptes. Er dankte den Bewohner:innen und deren Angehörigen, dass sie „uns auch in dieser schweren Zeit Vertrauen und Verständnis geschenkt haben.“ Dankesworte fand er auch für Stadt Nürtingen, die ihr finanzielles Engagement in all den Jahren aufrechterhalten haben. „Alleine könnte das die Samariterstiftung nicht stemmen.“ Schließlich wendete er sich an die ‚oberste Instanz‘: „Ich danke dem lieben Gott für seinen Segen, mit dem er dieses wegweisende Projekt in all den Jahren begleitet hat.“
Dass das eine ziemlich lange Zeit ist, zeigten die bunten Plakate an den Fenstern des Speisesaals. Jede Ziffer von eins bis 25 war dargestellt und erzählte ihre ganz eigene Geschichte. Beispielsweise die 17: Sie zeigte das Bild eines 17jährigen, der bereits als Kind in der Ganztagesbetreuung war und nun als junger Mann das Donnerstagscafé ehrenamtlich geführt hat. Diese enge Verbindung zum Kinderhaus Kroatenhof war bereits am Vortag schon zu spüren, als die Kinder beim Kleeblattjubiläum mit einem selbstgetexteten Festlied als erste zum Geburtstag gratulierten. Viel Applaus gab es auch für die symbolischen Gaben des Kinderhauses, das eines der vier Blätter des Kleeblatts, das Symbol für die Zusammenarbeit der von Kinderhaus und Wohnanlage am Kroatenhof, Stadtmuseum und Stadt Nürtingen, ist. Überreicht wurde unter anderem ein Wegweiser, der die Distanzen zu den benachbarten Partnern in Metern und Gehminuten angibt. Noch am selben Nachmittag schlossen sich Andreas Schlegel von der Samariterstiftung mit einer Rede, der ehemalige Leiter des Bürgertreffs Hannes Wezel mit einem sehr lebendigen Eckbankgespräch voller Erinnerungen und Ausblicken in die Zukunft und die Band Kupayaku mit einem musikalischen Ständchen an. So sieht es aus, Tag für Tag, das, was den Kroatenhof ausmacht: kunterbuntes Leben!